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Horrende Fahrt

(Eine Kurzgeschichte von Ingo Wölbern, verfasst am 22.05.1988)




Die Voraussetzungen schon waren nicht gut, als ich am Vorabend vor der Fahrt meinen Schlaf antrat. Da war diese düstere Stimmung, die mindere Laune. Es war diese düstere Vorahnung, die mich befiel und nicht wieder lassen wollte.
Die Folge war, dass ich unruhig schlief und konfus träumte. Die Vorahnung fuhr mir tief ins Gebein bis tief ins Unbewusste und schaukelte sich langsam auf zur leisen Furcht!

Der Morgen offenbarte sich mir ohne Umschweife, als ich durch das Fenster sah. Mondlicht fiel herein, fahles, kaltes Licht, das gebrochen und reflektiert in den Raum gestreut wurde. Es hatte geschneit! Es lief mir kalt den Rücken herunter. Die dumpfe Furcht war sofort wieder da. Ich konnte nicht, als mir zu sagen: "Junge, das kann nicht gut gehen!" Das sagte ich mir, und es war, als wüsste ich es genau.

Ich musste meine letzten Utensilien suchen. Die Fahrt musste gleich beginnen. Wehren wollte ich mich, konnte es aber nicht.

Mein Blick suchte nach Licht, doch fand nur dir mächtigen, beinahe majestätischen Wolkenmassen, wozwischen das fhale Mondlicht nur schwer seinen Weg fand.
Das karge Frühstück wollte mir nicht schmecken. In wenigen Minuten musste es soweit sein. Worauf nur hatte ich mich eingelassen?

Es hupte. Vor dem Haus stand der weiße Wagen, fiel kaum auf im Schnee, sah mich fast bedrohlich an, wie die weiße, kalte Masse selbst. Ich wusste, er hatte Sommerreifen, und es lagen zehn Zentimeter Schnee.

Mich fror. Der Mond neigte sich zum Untergang, es dämmerte noch lange nicht; Kein Licht würde mich auf der Fahrt begleiten. Ich löschte das Licht in der Küche und ging dem kalten Schnee entgegen, nach draußen. Schnell noch trank ich den Rest schwarzen Kaffees. Wieder hupte es.

Wehren wollt ich mich - nun nicht mehr. Ich verschloss die Tür. Es war der Zeitpunkt, da ich mich abgefunden hatte, die Fahrt antrat.

Ich nahm hinten links Platz, lehnte den Kopf gegen die eiskalte Scheibe des Wagens, der sich jetzt langsam in Bewegung setzte. Der Weg war so weit und der Wagen erst am Anfang. Es war furchtbar finster, die Straße dick verschneit, von Räumfahrzeugen nicht die Spur. Ich Lichtkegel des Wagen blitzte der Schnee auf, den das kaum profilierte Gummi unbarmherzig provokativ zusammendrückte, um sich seinen Weg zu bahnen. Ich zitterte.
Der Motor trieb voran, durch die weißgraue Masse, die jederzeit zum Verhängnis werden mochte. Die Straße vorn zeigte Furchen, die jemand zuvor in den Schnee hinein gefahren haben musste. Der Wagen hielt sich noch sauber in der Spur. Wehe, er würde in den Matsch geraten!

Ich durfte nicht mehr nach vorne sehen, wohin die Räder rollten. So schaute ich zur Seite hinaus. Dort dämmerte es schon.
Wir kamen an einer Baufläche vorbei. Die Bäume, die ehedem einen Wald hier gebildet hatten, waren gelichtet. Der Rest ragte gerippengleich verstümmelt in die Luft. Es sah mir grausam aus, ich hätte weinen mögen, aber die Fahrt ging weiter.

Der Wagen allein auf der Straße, ganz allein. Ich war verlassen worden, von allem, was mir Beistand war. Der Wagen raste mit mir durch die Schneemassen. Warum fuhr er nicht langsamer? Dachte er denn nicht an die Gefahr?

"So fahr doch langsamer!"

Ich sank wieder gegen die eisige Scheibe. Als ich die Augen schloss, sah ich Bilder des Schreckens, rutsche gegen den Baum, läge auf dem Kopf, höre die Stimme eines Feuerwehrmannes, dass ein Wrack...

Endlich sah ich das orange Funkeln eines Räumfahrzeuges. Es streute Salz, das den Schnee bekämpfen sollte. Doch begriff ich, das Salz würde nicht mir helfen, für mich kam diese Hilfe nun zu spät.
Der Wagen überholte trotz des Schnees, der die Reifen kurz ihres Haltes enthob. Meine Hoffnung war wieder zerstört.

Mörderische Geschwindigkeit, ich saß still, war ruhig, sagte nichts mehr, dachte nur noch - beinahe, dass ich mir den Tod wünschte.
Endlich brach das Heck aus, schleuderte. Es würde ein ende haben, sehnte ich mich, aber der Wagen fing sich wieder.

Blass war ich sicherlich, als ich inmitten des Morgens am Ziel den Wagen verließ, aber ich war dort.

Auf dem Rückweg hatte die Sonne den Schnee geschmnolzen, die Straße war frei - beinahe, dass ich selbst der Fahrer hätte sein wollen!