Zivildienst      Theater

Erfahrungswerte

Die Zivildienstzeit:

Meinen Zivildienst wollte ich ursprünglich dem Naturschutz widmen. Der Möglichkeiten hätte es viele gegeben: Von Gewässeruntersuchungen, Baumkataster-Erstellung, Seehund-Aufzuchtstationen bis hin zur Vogelwarte im Wattenmeer. Nun sind diese Plätze (oder waren es zumindest damals) gering an Zahl aber durchaus begehrt, so dass die lange Wartezeit mich davon abgehalten hat.
Auf der Suche nach einer Alternative, brachten mich einige Bekannte darauf, als Rettungshelfer im Rettungsdienst zu arbeiten. Tatsächlich trat ich dann meinen Dienst im Kreisverband Bremervörde an und wurde zum Rettungshelfer ausgebildet. Diese Ausbildung umfasst einen vierwöchigen Lehrgang, welcher die notwendigen Kenntnisse über Einsatzabläufe, Funkverkehr, Arbeitsgerät und das medizinische Grundwissen vermittelt, sowie ein zweiwöchiges Praktikum im Krankenhaus.
Eingesetzt wurde ich schließlich in den Rettungswachen in Zeven und (überwiegend) Sittensen. Natürlich war mir mulmig bei den ungewissen mir bevorstehenden Einsätzen. Man weiß nie, womit man konfrontiert wird, und ob man den Anblick von schwersten Verletzungen oder gar Toten verkraftet - ganz zu schweigen vom Umgang mit den Angehörigen. Eines aber war mit stets bewusst: Die Ausbildung zum Soldaten wäre mir allemal ein mulmigeres Gefühl gewesen.
Jeder Einsatz ist anders, nie weiß man genau, was einen erwartet. Die Aufgaben sind vielfältig und reichen vom simplen Krankentransport, über interne Notfälle bis hin zum schweren Verkehrsunfall. Aus der heutigen Distanz betrachtet bin ich äußerst froh, mich für diesen Dienst entschieden zu haben, denn selten hatte ich ein vergleichbar starkes Empfinden, etwas absolut Sinnvolles zu verrichten. Auch, wenn man am Ende nicht daran vorbeikommt, hin und wieder auch die Grenzen der Medizin erkennen zu müssen. Es bleibt dennoch nicht nur das gute Gefühl, im Notfall helfen und mit Stresssituationen umgehen zu können, sondern auch die Persönlichkeitsbildung, die von den Erfahrungen der Zivildienstzeit sicher profitiert hat.

Theater-Aufführungen:

Was hat Theater auf meiner beruflichen Seite zu suchen? Zweierlei: Zunächst hat mich das Theaterspiel an der Schule und darüber hinaus derart fasziniert, dass ich eine Weile versucht habe, Aufnahme an einer Schauspielschule zu finden, zum anderen erfüllen mich die damals im Team zur Aufführung gebrachten Stücke auch heute noch mit einer gewissen Portion Stolz.

Der Weihnachtsmann ist sprachlos: Der Vollständigkeit halber beginne ich mit diesem Stück, dass wir in der 3. Schulklasse anlässlich der Weihnachtsfeier 1978 aufführen durften. Zwar erinnere ich mich kaum noch an die Handlung und ebenso wenig an den Autoren des Stückes, wohl aber daran, dass ich - prädestiniert durch meine Körpergröße - die Rolle des Zwergen Muz spielen durfte.
Immerhin scheint das Stück so gut angekommen zu sein, dass wir es später außerhalb der Schule noch einmal auf der Bühne eines Gasthofes präsentieren konnten. Wie auch immer, das ist graue Vorzeit...

Zehn kleine Negerlein: Mit Agatha Christies berühmten Kriminalstück gab ich 1986 mein Debut in der Theater-AG unseres Gymnasiums. Der Titel ist angelehnt an das grausame Kinderlied, in dem ein "Negerlein" nach dem anderen durch immer neue Missgeschicke ausgelöscht wird. Im Stück geschieht dasselbe mit Personen, die anderer Menschen Tod verschuldet haben, der gerechten Strafe jedoch entgangen sind und nun auf einer einsamen Insel in Lynchjustiz nach der Schwere des Verbrechens nacheinander dahingerafft werden.
Als der durch und durch korrekte Butler Rogers, der für die Maßstäbe dieses Stückes recht wenig Schuld auf sich geladen hatte, indem er gemeinsam mit seiner Frau das Ableben einer früheren Dienstherrin ein wenig beschleunigte, um sich am gefälschten Testament zu bereichern, war es für mich eine recht kleine, aber durchaus feine Rolle.

Die Alkestiade: Im darauf folgenden Jahr entschied sich die AG für Die Alkestiade von Thornton Wilder. Es ist die Bearbeitung einer griechischen Sage des Königs Admetos und Alkestis, die dem Gott Apollo als Priesterin dienen möchte. Admetos gewinnt jedoch ihre Hand und Alkestis willigt ein, als Ihr offenbart wird, Apollo würde für ein Jahr unter den Hirten am Hofe leben wollen. Als Admetos später von einem dieser Hirten schwer verwundet wird und zu sterben droht, opfert sich Alkestis, damit Admetos leben kann.
Schwere Kost für ein Laien-Theater. Das Stück hat mich persönlich nicht so sehr fasziniert, wie ich anfangs bei dessen Auswahl noch zu glauben gewillt war. Die zwei eher kleinen Nebenrollen als alter und später als junger Nachtwächter vermochten jedoch auch nicht so recht das Interesse an den Zusammenhängen der Handlung zu wecken.

Die Zoogeschichte: Nach der eher kleine Rolle in der Alkestiade bekam ich nun Lust, auf eine forderndere Aufgabe. Inspiriert durch die Aufführung meines Bruders Werner nahm ich mich gemeinsam mit Jörg Kutzner der Zoogeschichte von Edward Albee an. Unter der Regie von Ute Brach gelangte der Einakter im Herbst 1987 auf der Schulbühne zur Aufführung.
Peter (ich), ein wohlsituierter, zufriedener Verleger, entspannt sich beim Lesen und Pfeiferauchen auf einer Bank im New Yorker Central Park. Unverhofft drängt Jerry (Jörg), ein gesellschaftlicher Außenseiter, ihm ein Gespräch auf, in welchem er Peter mit seinen Problemen, seiner Situation und den seelischen Abgründen von Menschen konfrontiert. Die plastischen Schilderungen bereiten Peter Unbehagen, das sich bis zur Angst steigert und schließlich in eine Katastrophe, nämlich Jerrys Freitod, münden.
Die Arbeit an dieser Inszenierung waren sicherlich anstrengend, öffneten jedoch den Blick auf mehr Facetten gesellschaftlichen Miteinanders, als es die Schule in der Zevener Provinz je vermocht hätte. Die Gewissheit schließlich, das anspruchsvolle Thema gemeistert zu haben, war die Mühen mehr als wert. Das Stück war so erfolgreich, dass wir es ca. ein Jahr später noch einmal als Gastspiel im Gymnasium in Tostedt aufführten. Vielen Dank an alle Helfer!

Vorsicht Trinkwasser!: Mit dieser Komödie von Woody Allen wurde in der Theater-AG eine durch die Uneinigkeit über das nächste Projekt ausgelöste Krise beendet. Mit Gaby Reetz wurde gleichzeitig wieder eine Lehrkraft für die Regie gewonnen.
Ich bekam die Rolle des Walter Hollander, eines durch und durch chauvistischen amerikanischen Pseudohelden, der sich als Tourist mit Frau und Tochter irgendwo hinter dem eisernen Vorhang in eine amerikanische Botschaft flüchten muss. Es war eine reine Wonne, den aufmüpfigen verhinderten Cowboy mit dem weichen Kern spielen zu dürfen.
Allens Humor ging uns während der langen Probenzeit wegen der ständigen Wiederholung der Szenen zwar langsam ein wenig abhanden, fand sich aber bei den Aufführungen im Frühjahr 1988 wieder ein, so dass das Stück am Ende ein großer lachmuskelstrapazierender Erfolg wurde.

Ein Engel kommt nach Babylon: Das Stück wurde geschrieben von Friedrich Dürrenmatt. Der Engel Kurrubi, ein unwissendes junges Mädchen, wird in Begleitung eines älteren "Dienstkollegen" auf die Erde geschickt, um deren Schönheit, Reichtum und Vollkommenheit kennenzulernen. Während der Ältere immer mehr der Fasizination der Schöpfung und der Natur erliegt, verzweifelt das Mädchen am Chaos des menschlichen Tuns.
Sie soll dem ärmsten der Armen gegeben werden, einem Bettler also. Doch es stellt sich bald heraus, dass nicht der Bettler der Ärmste ist, sondern der Herrscher Nebukadnezar, der in seinem kranken Ehrgeiz nach immer mehr Macht strebt und sich schließlich über Gott stellen will und den Turmbau befiehlt. Und so ist am Ende der Bettler Akki derjenige, der Kurrubi vor den Menschen rettet.
Der Bettler Akki war meine Wunschrolle und ich durfte sie zum krönenden Abschluss meiner AG-Laufbahn in der Schule auch spielen - wofür ich meinen Kameraden heute noch dankbar bin. Eine faszinierende Persönlichkeit, ein Lebenskünstler und Opportunist, der sich selbst zum Bettler erniedrigt, um aus dieser Position heraus alles werden zu können.

Pech unterm Dach: Das konnte ja nun mit dem Abitur noch nicht alles gewesen sein. Wenn man einmal auf der Bühne gestanden hat, wird man immer wieder vom Fieber gepackt, es noch einmal wissen zu wollen. Und es ging nicht nur mir allein so. Zusammen mit Susanne Döhlinger und André Wiesch sowie einer Handvoll unschätzbar fleißiger Helfer widmete ich mich im Sommer/Herbst 1989 der Inszenierung von Pech unterm Dach, einem Einakter aus der Triologie "Das Leben im stillen Haus" von Pavel Kohout.
Der schüchterne Maler Jiri Pech (André) bringt Damenbesuch (Susanne) mit nach Hause. Gerade will sich die Situation entkrampfen, da taucht ein unbekannter Mann (ich) im Kleiderschrank auf, der sich in abtrusen Geschichten verstrickt bald aber als Spitzel der Geheimpolizei entblößt. Anfangs in der Defensive beschuldigt er den Maler solange, bis dieser sich schließlich in die Enge getrieben fühlt, ein Blutbad anrichtet und somit den Anschuldigen erst gerecht wird.
Die Faszination dieser Psychostudie, wie man einen unbescholtenen Bürger allein durch Worte erst in die Isolierung treiben und zu unkontrollierten Affekthandlungen bringen kann, war der Grund, sich dieses systemkritischen Werkes des Tschechen anzunehmen. Gern hätte ich die anderen beiden Stücke der Trilogie auch noch auf die Bühne gebracht.

Pantalones Hochzeit: Trotzdem das Leben nicht stehen bleibt, und sich mittlerweile neue Aufgaben eingestellt hatten, welche Zeit und Energie kosteten, brach im Frühjahr 1991 ein weiteres Mal die Sehnsucht durch, noch einmal auf der Bühne zu stehen. Weitere Ehemalige der Theater-AG hegten ebenso den Wunsch nach einem neuen Projekt, und so nahmen wir uns des Commedia dell'arte-Spieles von Gerhard Herm an, dass bereits in der AG diskutiert jedoch abgelehnt worden war.
Eine Commedia dell'arte ist eine Bühnenform, die im südeuropäischen Raum entstanden ist und durch Wanderbühnen Verbreitung fand. Hierbei wird mit Archetypen und starren Masken, die da heißen Columbina, Pantalone etc., und festem Handlungsablauf gearbeitet, die Dialoge hingegen werden improvisiert. Das Stück freilich ist nicht improvisiert, vielmehr handelt es von der Inszenierung einer solchen Commedia dell'arte - ein Stück im Stück.
Wahrscheinlich war's wirklich eine gute Wahl für das nun definitiv letzte Stück: Klamauk, Slapstick und hintergründiger Witz, den wir freizügig mit abgekupferten Gags aus Funk und Fernsehen garniert haben. Als Mezzetino, dem Diener Pantalones, konnte ich mich in dem gespielten Chaos noch einmal wunderbar ausleben...